Das Haus zum roten Mandl

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Heute steht das Gebäude des Verfassungsgerichtshofs und des BA-CA Kunstforums an der Stelle des Wirtshauses. - Haeferl commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 AT




Zwischen der Freyung und dem Tiefen Graben stand vor vielen, vielen Jahren ein Wirtshaus. Dort lebte der Wirt mit seinem Neffen und mit seiner alten Mutter. Der Neffe machte eine Kellnerlehre bei seinem Onkel und eigentlich führten die drei ein recht angenehmes Leben. Bis eines Tages Unerwartetes geschah.

Das Wirtshaus war ein beliebter Treffpunkt für Studenten, Wiener Bürger aber auch für Reisende aus aller Herren Länder. An diesem Abend traf sich ein besonderes Grüppchen. Da war unter anderem der berühmte Nürnberger Maler Augustin Hirschvogel unter den Gästen. Er wurde von der Stadt Wien beauftragt, eine neue Karte zu zeichnen und zu drucken. Der Künstler erzählte viel von fremden Ländern und fremden Leuten und die anderen Gäste hörten ihm gespannt zu. Jede Menge Wein wurde dabei getrunken und der Wirtsneffe hatte viel zu tun. Dann aber betrat noch ein Gast die Wirtsstube. Die Gespräche wurden kurz ein bisschen leiser und alle Aufmerksamkeit im Raum galt dem sonderbaren Gast. Er war ganz in schwarz gekleidet und trug einen Hut, den man in Wien noch nie gesehen hatte. Seine Augen funkelten und waren fast pechschwarz. Schon wollte der Wirt zu ihm hingehen und fragen, was er hier wolle, da sprang Herr Hirschvogel auf und begrüßte ihn laut: „Willkommen in Wien, Herr Doktor Faust!“

Nur langsam fassten sich auch die anderen Gäste wieder und begrüßten den Neuling, der sogleich Platz nahm. Viel hatten die WienerInnen schon über die Zaubereien des Doktor Faust gehört, umso gespannter waren sie, ihn jetzt persönlich kennen zu lernen. Der Dazugestoßene bestellte auch gleich einen Krug Wein. Der Neffe brachte ihn, verschüttete dabei aber einige Tropfen. Böse funkelte der Unheimliche den Buben an und sagte: „Verschütte nie wieder so kostbare Tropfen! Falls doch, dann fresse ich dich mit Haut und Haar!“ Der Neffe lachte kurz und ging zu seiner Schank zurück. Dann setzte Doktor Faust den Krug an seine Lippen und trank ihn in einem Zug aus. Ahhhh! Da waren die WienerInnen erstaunt. So etwas hatten sie noch nie gesehen, obwohl viele gute Trinker unter ihnen waren. Herr Faust bestellte sofort einen neuen Krug bei dem Buben. Dieser brachte ihn auch sogleich. Er stellte aber den Krug so fest auf den Tisch, dass einiges ausschwappte und über den Tisch rann. Der unerschrockene Bub wollte nämlich sehen, wie das wohl gehen soll, einen fast erwachsenen Menschen zu fressen. Zornig sagte der Bediente: „Hab ich dir nicht gesagt, dass ich dich fresse, wenn du noch einmal verschüttest?“ „So tun sie es doch, wenn sie können!“, antwortete der Neffe frech. Da öffnete Doktor Faust den Mund, und der Bub war verschwunden.

Die Zuschauer wurden plötzlich ganz still. Doktor Faust bestellte einen Krug mit Wein, aber der Wirt konnte sich vor Entsetzen nicht bewegen. So nahm der Doktor kurzer Hand einen ganzen Wasserkübel und trank ihn mit einem Zug leer. Da flehte der Wirt, er solle doch den Buben wieder zurückgeben. Er ist doch sein Neffe und wie solle er das bloß seinem Bruder erklären. Da lachte der Doktor laut und lud ihn ein, doch vor der Wirtshaustüre nachzusehen. Tatsächlich, da stand der Bub. Er war völlig nass und zitterte in der eisigen Kälte. Er betrat das Wirtshaus und alle lachten über seinen erbärmlichen, durchnässten Anblick. Er aber schrie Doktor Faust an: „Ihr seid mit dem Teufel im Bunde, Doktor Faust! Mit ihnen will ich nie wieder etwas zu tun haben!“ Doktor Faust lachte nur und unterhielt sich dann weiter mit seinen Tischgenossen.

Aber das Thema des Abends blieb der Teufel. Da hatte der Nürnberger Maler eine Idee. Er lief schnell in die Küche und holte sich ein Stückchen Holzkohle und begann einen Teufel an der Wand zu skizzieren. In dem Licht der flackernden Kerze sah er ganz lustig aus. Er hatte einen spitzen Hut mit drei langen Federn, einen wehenden Umhang und spitze Stiefel an. Das originellste aber war sicher sein boshaftes Grinsen. Die Zuschauer waren begeistert und applaudierten dem deutschen Künstler. Auch Doktor Faust lachte anerkennend, sagte dann aber: „Den habt ihr gut getroffen. Ein halber Teufel ist das nur an der Wand. Ich will euch den ganzen zeigen!“ In diesem Moment wurde aus der Zeichnung Wirklichkeit und ein kleiner Teufel sprang von der Wand. Er trug einen blutroten Umhang, einen spitzen, grünen Hut mit drei blutroten Federn, ein hellrotes Wams mit ebensolchen spitzen Stiefeln.

Nun bekam es jeder im Raum mit der Angst zu tun. Alle machten sich so schnell sie konnten in Richtung Ausgang auf. Stühle fielen um, ja sogar die schweren Eichentische wurden umgestoßen und unzählige Scherben lagen am Boden. Bei diesem Krach erwachte sogar die schwerhörige Mutter des Wirten hinter dem Kamin. Ängstlich erzählte ihr der Sohn, was vorgefallen war. Sie entgegnete nur: „Ja ja, man soll den Teufel nicht an die Wand malen!“

Der Vorfall sprach sich rasch in der Stadt herum. Viele Neugierige kamen und ließen sich die Geschichte erzählen und tranken den guten Wein dazu. Augustin Hirschvogel malte noch einmal einen kleinen Teufel auf ein Blechschild, das dann vor der Türe aufgehängt wurde. Seit diesem Tag hieß das Wirtshaus nur noch „Das Haus zum roten Mandl“. Der neue Teufel wurde zum Glück nicht wieder lebendig. Doktor Faust hatte Wien verlassen und ward nie wieder gesehen.

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